Ab dem 1. November 2024 tritt eine wichtige Neuerung in der physiotherapeutischen Versorgung in Kraft: die Blankoverordnung. Diese Änderung betrifft zunächst bestimmte Schultererkrankungen und bringt sowohl für Patienten/innen als auch für Physiotherapeuten/innen mehr Flexibilität und Verantwortung in der Therapiegestaltung. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen erklären, was die Blankoverordnung bedeutet, wie sie abläuft und welche Vorteile sie bietet.

Was ist die Blankoverordnung?

Die Blankoverordnung (kurz: Blanko-VO) ermöglicht uns Physiotherapeuten/innen, eigenständig über die Therapie eines Patienten zu entscheiden, ohne dass der behandelnde Arzt/die behandelnde Ärztin die genauen Heilmittel und die Anzahl der Therapieeinheiten vorschreibt. Das bedeutet, dass der Arzt/die Ärztin nur noch die Diagnose stellt und den Behandlungsbedarf bestätigt, während die konkreten Maßnahmen von uns als Therapeuten/innen geplant und durchgeführt werden. Diese neue Regelung gilt zunächst für über 100 verschiedene Schulterdiagnosen.
In Zukunft sollen weitere Diagnosen in die neue Systematik der Blankoverordnung aufgenommen werden. Es gibt dazu aber noch keinen konkreten Zeitplan.

Die Einführung basiert auf dem sog. Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) mit dem Ziel, die Therapieautonomie und -qualität zu verbessern.
Durch diese Freiheit übernehmen wir aber auch mehr Verantwortung für Ihren Heilungsverlauf, als auch für die Wirtschaftlichkeit Ihrer Therapie.

Wer kann eine Blankoverordnung bekommen?

Die Blankoverordnung gilt derzeit nur für bestimmte Schultererkrankungen. Das bedeutet, dass vorerst nur Patienten/innen mit Diagnosen, die das Schultergelenk betreffen, von dieser neuen Verordnung profitieren können. Ob eine Erkrankung für die Blankoverordnung in Frage kommt, richtet sich nach einer spezifischen Liste von Diagnosen, basierend auf der sogenannten ICD-10-Liste. Beispiele sind etwa Verletzungen der Rotatorenmanschette, Frakturen oder Schulterluxationen.

Wichtige Hinweise:

Ausnahme für Lymphdrainage: Die Manuelle Lymphdrainage (kurz: MLD) ist von der Blankoverordnung ausgenommen. Sollte eine Lymphdrainage erforderlich sein, muss diese wie bisher auf einem regulären Rezept verordnet werden.

Ermessensspielraum für Ärzte/innen: Ärzte und Ärztinnen sind nicht verpflichtet eine Blankoverordnung auszustellen. Sie können auch weiterhin ein normales Rezept verwenden, wenn „wichtige medizinische Gründe“ vorliegen.

Unterschiede beim Rezept: Das Formular, das Sie von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin erhalten, bleibt auf den ersten Blick das gleiche wie bei einer regulären Verordnung. Der entscheidende Unterschied: Anstelle eines spezifischen Heilmittels wie „KG“ (Krankengymnastik) oder „MT“ (Manuelle Therapie) ist auf der Blankoverordnung lediglich das Wort „BLANKOVERORDNUNG“ vermerkt.
Außerdem fehlt eine Angabe in den Feldern „Behandlungseinheiten“ und „Therapiefrequenz“.

 

Wie funktioniert die Blankoverordnung in der Praxis?

Der Ablauf der Blankoverordnung ist für den/die Patienten/in recht unkompliziert, bringt aber einige Änderungen im Behandlungsprozess mit sich. So sieht der Prozess aus:

Diagnose durch den Arzt

Zunächst bleibt alles wie gewohnt. Ihr/e Arzt/Ärztin untersucht Sie und stellt eine Diagnose.
Auf Grundlage dieser Diagnose entscheidet der Arzt/ die Ärztin, ob eine physiotherapeutische Behandlung notwendig ist. In diesem Fall stellt er/sie Ihnen eine Verordnung aus – entweder eine reguläre oder eine Blankoverordnung.

Erforderliche Diagnostik vor Beginn der Therapie

Bevor wir mit der Therapie starten, vereinbaren wir einen eigenen Termin für eine physiotherapeutische Diagnostik (kurz: PD). In diesem Termin führen wir eine umfassende Untersuchung durch, um die genaue Ausgangslage zu bestimmen und den bestmöglichen Therapieansatz für Sie festzulegen. Hierbei besprechen wir auch gemeinsam den geplanten Ablauf und die spezifischen Ziele der Therapie.

Begrenzte Anzahl an Therapieeinheiten

Auch wenn die Blankoverordnung uns keine feste Anzahl an Therapieeinheiten vorschreibt, gibt es dennoch eine Obergrenze. Je nach Diagnose dürfen wir Sie maximal 18 bzw. 26 Einheiten pro Verordnung behandeln. Innerhalb dieses Rahmens können wir die Frequenz der Behandlungen und das Heilmittel frei anpassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir immer die maximale Anzahl der Einheiten ausschöpfen. Wir orientieren uns an medizinischen und wissenschaftlichen Kriterien und fordern – wie gewohnt – Ihre Eigeninitiative und Verantwortung für den Heilungsprozess ein.

Zwischen- und Abschlussdiagnostik

Am Ende der Verordnung findet eine sogenannte Bedarfsdiagnostik (kurz: BD) statt, bei der wir das Therapieergebnis evaluieren. Sollte sich im Verlauf der Behandlung die Notwendigkeit ergeben, den Therapieplan anzupassen, führen wir diesen Evaluierungstermin auch vorzeitig durch und besprechen die Änderungen mit Ihnen. So gewährleisten wir, dass die Therapie stets auf Ihre aktuellen Bedürfnisse abgestimmt bleibt.

Was passiert nach 16 Wochen, wenn Sie noch immer Beschwerden haben?

Die Blankoverordnung ist auf eine Behandlungsdauer von maximal 16 Wochen begrenzt. Sollten Ihre Beschwerden danach fortbestehen oder eine weitere Behandlung notwendig sein, kann Ihr/e Arzt/ Ärztin eine weitere Blankoverordnung ausstellen.

 

Was ändert sich für Sie?


Weniger Aufwand für Korrekturen

Durch die Blankoverordnung entfallen viele bürokratische Hürden. Änderungen an der Verordnung, wie die Anpassung der Frequenz oder das Umstellen auf ein anderes Heilmittel (z.B. von Krankengymnastik auf Manuelle Therapie), können direkt und flexibel im Therapieverlauf vorgenommen werden. Das spart Zeit und Wege für zusätzliche Arztbesuche.

Individuellere und spezifischere Behandlung

Da keine festen Vorgaben für die Anzahl der Termine, das Heilmittel oder die Therapiefrequenz mehr bestehen, können wir Ihre Therapie flexibler und auf Ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt planen. Statt einer festgelegten Anzahl an Behandlungen erlaubt die Blankoverordnung eine passgenaue Anpassung an Ihren Heilungsprozess. Die Verordnung ist lediglich mit „BLANKOVERORDNUNG“ gekennzeichnet und enthält keine spezifischen Angaben zum Heilmittel, zur Anzahl der Behandlungseinheiten oder zur Frequenz.

Zusätzliche diagnostische Termine

Für eine bedarfsgerechte Betreuung führen wir eine gründliche Diagnostik zu Beginn und, wenn nötig, Anpassungen im Verlauf der Therapie durch. Diese diagnostischen Termine zählen nicht zur Behandlungszeit, sodass Ihnen keine wertvolle Therapiezeit verloren geht. Stattdessen haben wir die Möglichkeit, in diesen Terminen eine individuelle Planung und Anpassung durchzuführen.

Wichtige zeitliche Vorgabe

Auch bei der Blankoverordnung muss die Behandlung spätestens 28 Tage nach Ausstellung des Rezepts beginnen. Bitte setzen Sie sich daher zeitnah mit uns in Verbindung, sobald Sie ein Rezept erhalten haben. Der erste Behandlungstermin, nicht der Diagnosetermin, gilt als offizieller Beginn der Verordnung.

Gesetzliche Zuzahlung

Die gesetzliche Zuzahlung richtet sich weiterhin nach der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Therapieeinheiten und den eingesetzten Heilmitteln. Da bei der Blankoverordnung auch mehr als die üblichen sechs Behandlungseinheiten pro Rezept möglich sind, kann die Zuzahlung entsprechend höher ausfallen. Dafür sparen Sie jedoch die Rezeptgebühr für zusätzliche Rezepte, wenn Sie längerfristige Therapie benötigen und nur eine Blankoverordnung statt mehrerer „normaler“ Rezepte erhalten.

 

Das Wichtigste – kurz und knapp zusammengefasst

 

  • Gültigkeit: Die Blankoverordnung gilt aktuell nur für Schultererkrankungen.
  • Rezeptinhalt: Anstelle eines spezifischen Heilmittels wird nur der Begriff „BLANKOVERORDNUNG“ auf dem Rezept notiert.
  • Dauer: Eine Blankoverordnung gilt für einen Zeitraum von 16 Wochen, innerhalb dessen die Therapie individuell geplant wird (inkl. Heilmittel, Häufigkeit und Dauer).
  • Diagnostik vor Therapiebeginn: Vor der eigentlichen Therapie gibt es einen Termin für die physiotherapeutische Diagnostik.
  • Bedarfsdiagnostik: Am Therapieende erfolgt eine Bedarfsdiagnostik zur Erfolgskontrolle; bei Bedarf kann dieser Termin vorgezogen werden, um den Therapieplan anzupassen.
  • Verlängerung: Nach den 16 Wochen kann bei medizinischer Notwendigkeit eine weitere Blankoverordnung vom Arzt/der Ärztin ausgestellt werden.